Rückfahrt vom Monte Bondone (mit Hindernissen)
Die Pause
Am Pass ist bis auf ein einziges Lokal noch alles geschlossen, oder in Renovierungsarbeiten vertieft. So stürze ich mich gleich in die Abfahrt hinab ins Valle dei Laghi.
Doch schon nach einem guten Kilometer findet sich rechter Hand eine Aussichtsplattform mit dem Restaurant “Rocce Rosse”.
Rein in die Bremsen und Rad abgestellt.
Also wird erst mal gegessen und getrunken, relaxed bei angenehmen 19°C in die Sonne geblinzelt und die traumhafte Aussicht auf Brenta und Adamello genossen.
Nach ca. 1 Stunde entschließe ich mich schweren Herzens zur Weiterfahrt, schließlich liegt ja noch ein gutes Stück Wegstrecke vor mir.
Wie spät ist es eigentlich?
Ein Blick auf meinen Radcomputer(ich habe keine Armbanduhr und aus Prinzip kein Smartphone) zeigt 2:30.
Ist ja noch gar so spät, wie ich gedacht hatte. Super, kann ich entspannt weiter radeln. Auf geht’s, fahren wir ab nach Calavino.
Fehleinschätzung 4: die Uhrzeit
Ich hatte meinem Radcomputer erst eine neue Batterie spendiert, und wohl vor lauter Konzentration auf die richtige Einstellung des Radumfangs die Uhrzeit nicht neu eingestellt. Es war in Wirklichkeit bereits 15:20.
Die Abfahrt
Es ist eine schnelle, unkomplizierte Abfahrt. Flacher als die Auffahrt, mit breiter Straße in gutem Zustand und ohne enge Kurven kann man es hier richtig krachen lassen.
Ich passiere die Abzweigung nach Aldeno im Etschtal und fahr weiter Richtung Riva del Garda. Von hier wären es nur noch 40km zum Gardasee!
Das Valle dei Laghi hieße nicht so, wenn‘s auch sonst nicht noch jede Menge Seen gäbe. Fotostop am Lago di Lagolo. Ich will gerade wieder losfahren, als mir ein profimäßig eingekleideter Radler entgegenkommt, und mich sofort auf italienisch mit Fragen bombardiert. Woher, wohin etc.
Ich erkläre ihm meine Pläne zur Weiterfahrt über den Lago di Molveno, und nutze die Gelegenheit mich zu vergewissern, ob meine geplante Route über Ranzo mit dem dem Rennrad fahrbar ist. Mein neuer Spezi erklärt mir wortreich die Vorzüge der Strecke über Sarche, dass die Tunnels umfahren werden können und so weiter. Ich verstehe nur die Hälfte, und auch auf erneute Nachfrage zu meiner Strecke höre ich nur raus, wie toll die Route über Sarche ist.
Na gut, dann über Sarche. Ich sag ciao, und er dreht sein Rad in meine Fahrrichtung. Der gute Mann will mit mir fahren und offensichtlich die Führerrolle übernehmen. Er fährt los und ich sehe erst jetzt, dass sein fahrbarer Untersatz ein E-Bike ist.
Ein paar Meter fahr ich noch hinter ihm, dann geht’s mit 70 Sachen an ihm vorbei. Soviel Zeit hab ich dann auch nicht. Und ich fahr DOCH über Ranzo. Als Freund von Nebenstrecken ist mir das lieber als die Hauptstraße.
Ich hätte besser auf meinen italienischen Freund hören sollen!
Zum Molvenosee
In Calavino halte ich auf Padergnone zu. Von dort müsste es hoch nach Ranzo gehen. Ich versuche zu einem vor mir fahrenden Rennradler aufzuschließen. Er stoppt aber an einer Bushaltestelle. Im Vorbeifahren sehe ich, dass er sich dort mit einem anderen Radler unterhält. Mein E-Bike Radler von vorher!? Hat das Schlitzohr doch irgendwo eine Abkürzung genommen.
Padergnone – ich biege ab und fahre hinab in den Ort.
Blick auf die Karte(1:50.000, freytag&berndt, ca. 25 Jahre alt). Von Padergnone über Massenza nach Lon hoch und weiter nach Ranzo zu fahren, geht gar nicht. Nur zu Fuß. Hätte ich besser vorher gecheckt. Wieder zurück und hinauf zur Straße nach Vezzano. Von dort geht‘s nach Ranzo und um den Berg herum über Bael nach Nembia am Lago die Molveno(so meine Karte stimmt) .
Die Geisterstraße
15. August 2011, Ferragosto – Ein junges Paar aus Modena ist auf dem Weg in den Urlaub nach Molveno. Es regnet. Das Navi ihres BMW leitet sie über die Provinzstrasse von Vezzano nach Ranzo und weiter über Bael nach Molveno. In Ranzo müssen sie feststellen, das es hier tatsächlich keine befahrbare Verbindung nach Molveno gibt. Sie kehren um. Der Regen hat bereits einige Steine auf die Straße befördert, als ein Zentner-schwerer Felsbrocken das Auto trifft…
Man hatte in den 60er Jahren zwar damit begonnen eine Straße von Ranzo über Bael nach Molveno zu bauen, aber mehr als 3km wurden nie fertiggestellt. Der Rest ist Forstweg, unfahrbar für Autos oder Rennräder. Das wäre nicht tragisch, wenn nicht diverse Karten- und Navihersteller diese nicht existente Straße als ausgebaut ausweisen würden. Und so stranden permanent Busse, Lastwagen, Wohnmobile (und Rennradler) im Ort Ranzo(siehe http://www.giornaletrentino.it/cronaca/trento/la-strada-fantasma-che-esiste-solo-sulla-carta-1.1229263)
Als ich Vezzano erreiche, stelle ich fest, dass es tatsächlich bereits 16:30 ist. Die vermeintliche Strecke über Bael würde zunächst einen Aufstieg von 500Hm bedeuten und nach Westen führen. Ich sollte mich bei der Uhrzeit aber besser mal Richtung Norden orientieren und nach Trento hinabfahren.
diesmal zufällig kein Fehler:
ich hatte Glück, sonst wäre ich wohl bei der Rückfahrt in der Dunkelheit gestrandet.
Nach Trento
Kartenstudium. Es ist nicht zu erkennen, wie ich es schaffen soll ins Etschtal hinabzu kommen, ohne auf der Autoschnellstraße Gardesana zu landen. Der einzige Weg scheint der über Sopramonte zu sein. Das hieße nochmal hoch auf über 700 und auf der Auffahrtsroute hinab nach Montevideo. Aber, wenn es nicht anders geht, soll es so sein.
Schon nach wenigen Meter treffe ich aber einen Radweg nach Trento. Gerettet.
Von Vezzano nach Trento sind es auf der Hauptstraße 12km. Mit dem Rennrad sollte das in 30-40 Minuten gefahren sein.
Der Radweg aber ist eine Katastrophe. Er ist schmal, mäandert kreuz und quer, bergauf und bergab durch die Gegend. Zum mit dem Hollandrad durch die Gegend gondeln, mag das ja ok sein, aber nicht wenn‘s pressiert.
Auf den Wegweisern steht jetzt nicht mehr Trento, sondern Terlago. Ich hoffe inständig, dass es von da auch irgendwie ins Tal geht. Auf meiner Karte finde ich da nichts.
Der Radweg führt tatsächlich hinab nach Terlago auf ca. 400m, während ich in der Ferne die Gardesana ca. 200m höher entlang führen sehe. Es gäbe schöne Fotomotive, doch dafür habe ich jetzt keine Zeit mehr. Weiß der Teufel, wie das ganze hier endet.
Ich bin sauer, dass es hier keine normale Straße nach Trento mehr gibt. Alles nur auf Autoverkehr abgestellt. Ich fahre um den Lago di Terlago herum. Kein Radweg mehr in Sicht. Ich fahre die Straße hoch, ende an der Gardesana. Folge auf ihrer linken Seite einem Weg und lande schließlich kurz oberhalb der Einmündung der Via Brescia in die Gardesana. Das war meine Aufstiegsroute von heute morgen. Es gibt aber keine Möglichkeit dorthin zu gelangen. Kein Radweg weit und breit zu sehen. Ich quere die Gardesana auf einer Brücke und befinde mich rechts der beiden bergab führenden Fahrspuren. Ca. 50m weiter führt sie in einen Tunnel. Keine anderen Straßen, die hier weiterführen.
Ich bin stinksauer …
und fahre in den Tunnel(es gab keine „gesperrt“ Schilder). Die Gardesana führt steil bergab und ich kann problemlos das Tempo der Autos halten. Ich nehme die nächste Ausfahrt und bin glücklich wieder in der Via Brescia. Auf meinem Aufstiegsweg von heute morgen fahre ich zurück zum großen Parkplatz, quere ihn wieder, hebe mein Rad über die Leitplanken, drehe eine halbe Runde im Kreisverkehr und fahre zurück durch den Tunnel bis zur Brücke an der Etsch.
Noch 30km. Die Sonne ist irgendwo hinter der Paganella verschwunden. Der Tag geht dahin. Jetzt nur noch dem Etschtalradweg folgen.
Die Rückfahrt
Ich quere die beiden Spuren der SS12 und folge dem Fahrweg westlich der Etsch. Nach wenigen Metern, sehe ich auf der anderen östlichen Uferseite einen Radfahrer. Mist! Der Etschtalradweg ist da drüben!
Umdrehen? Das hieße zurück, wieder die beiden Spuren der SS12 überqueren(Fußweg gibt’s hier nicht) , nach Osten über die Brücke fahren, und erneut die SS12 überqueren.
In meiner Karte(1:50.000, freytag&berndt, die mit der Geisterstraße) ist hier ein Fahrweg bis Zambana-Vecchia eingezeichnet, den ich schon für den Hinweg ins Kalkül gezogen hatte. Evtl. nur Sandstraße, aber schnurgerade. Da gibt‘s keine Verhauer. Das sollte schnell gehen.
Also kräftig rein getreten. Bis Einbruch der Dunkelheit sollte ich den gut ausgebauten Radweg nach Salurn erreicht haben. Dann käme ich auch im Dunkeln gut durch(ich hatte nur Rücklicht, aber keine Frontbeleuchtung mitgenommen).
Fehler 5: im Herbst bei langen Touren besser mit Licht am Rad
Ich passiere das Gelände eines in Camouflage-Farben lackierten Werks. Hier bereitet ein böser Fiesling die Unterjochung der Welt vor, wäre da nicht James Bond …
Eine Schranke versperrt den Weg. Durchfahrt verboten.
Ich habe keine Zeit umzukehren. Ich hebe mein Rad drüber, und weiter geht‘s. Ich passiere ein weiteres, scheinbar verlassenes Werksgelände als die Straße plötzlich endet. Weg wegen Steinschlag gesperrt.
Es führt nun nur noch ein handtuchbreiter, tatsächlich mit Steinen gespickter Pfad weiter, für den ein Mountainbike angebracht wäre. Aber wie schon gesagt, die Uhr tickt, es dämmert, ich habe erst Recht keine Zeit mehr umzukehren.
Fehler 6: nur aktuelles Kartenmaterial verwenden
Also weiter. Hoffentlich gibt’s nicht noch einen Platten! Der Weg wäre ein Foto Wert(keine Zeit). Die Äste und Blätter der Bäume verdecken den Himmel wie ein Baldachin.
Kurz vor Zambana Vecchia erreiche ich wieder die Zivilisation, überquere auf einer Brücke die Noce (welche ich für die Etsch halte) und wundere mich wo der Radweg bleibt.
Keiner da, also die erste Straße nordwärts, lande auf der SP90. Fahre sie nordwärts, quere auf einer Brücke die Noce(welche ich noch immer für die Etsch halte). Weder links noch rechts der vermeintlichen Etsch ein Radweg. Also weiter rein nach Mezzolombardo. Wenn ich in Mezzocorona bin, hab ich auch einen Radweg nach Salurn.
Ich erreiche die SS43, sehe Mezzocorona vor mir, aber auch das „Rad gesperrt“ Schild. Autoschnellstraße. Fuck! Radweg? Fehlanzeige. Hier geht‘s nicht weiter.
Es dämmert. Ich habe vielleicht noch eine dreiviertel Stunde, dann ist es dunkel.
Zurück, über die Brücke der Noce. Ich registriere jetzt, dass das nicht die Etsch ist. Mangels Radweg nehme ich den ersten, asphaltierten, zwischen den Weinstöcken nach Norden führenden Weg.
Kreuz und quer immer einem omineusen roten Pfeil folgend treffe ich schließlich auf einen Radweg: links Mezzocorona, rechts Trento.
Von Trento komm ich, also Mezzocorona. Schon bald biegt der aber nach Westen ab.
Zurück. Ich nehme doch den Richtung Trento und entschließe mich jetzt solange Richtung Osten zu fahren, bis ich an die Etsch komme. Kurz danach erreicht der Radweg San Michele und die Etsch.
Und da ist er dann, mein Etschtalradweg.
Mit dem letzten Sonnenlicht erreiche ich, tief durchatmend, kurz vor 19:00 mein Auto in Salurn.
Nachfolgend ein Tourenvorschlag, der klappen sollte(ohne Gewähr):
Monte Bondone von San Michele