Ist schon ein sonderbares Jahr, dieses 2020!

Seit Weihnachten Probleme mit einer Achillessehnenreizung, im Winter kein Schnee zum Langlaufen auf der Alpennordseite, Langlaufurlaub in Südtirol abgesagt wegen meiner Achillessehne und einem solidarischen Achillessehnenanriss bei meiner Frau. Dann wollten wir Ende März ein vorgezogenes Rad-Trainingslager am Gardasee machen, doch dann kam Corona….. Unser, seit über 20 Jahren üblicher, 3 Wochen Radurlaub im Mai in Apulien fiel auch diesem blöden Virus zum Opfer. Der 3. abgesagte Sporturlaub in diesem Jahr!
Und sonst: Zwangsurlaub, Kurzarbeit und Homeoffice. Das hat zwar schon auch Vorteile beim Radfahren, weil man viel flexibler ist, aber irgendwann kennt man in 50km Umkreis jedes Verkehrsschild mit zweitem Vornamen und der Kühlschrank ist leider zu leicht zu erreichen.
Meine Form wurde dann, trotz immer noch zwickender Achillessehne langsam besser und ich wollte endlich mal was „Richtiges“, also einen ordentlichen Pass, fahren. Die Grenzen waren ja mittlerweile wieder offen.
Also was fahren, wenn man nur einen Tag zur Verfügung hat?
Kühtai: Da war ich in den letzten 2 Jahren 3 Mal von verschieden Seiten
Hahntennjoch: Auch erst vor 2 Jahren gefahren
Penserjoch/Jaufenpass: Mehrfach die letzten Jahre besucht
Großglockner: Da war ich vor über 30 Jahren zum letzten Mal und ist in einem Tag machbar und es sollten wegen Corona weniger Leute sein. Klingt nicht schlecht! Also auf zum Großglockner!
Also das wohin stand fest. Jetzt war nur noch der Termin offen und das erfordert bei diesem unbeständigen Wetter im Sommer 2020 eine gewisse Spontanität. Für die Mitte der zweiten Juliwoche war der Wetterbericht gut und mein Terminkalender leer. Also sollte es am Mittwoch passieren. Dienstagmorgen konnte man in der Webcam der Edelweißspitze noch frischen Neuschnee sehen, aber Mittwoch sollte es besser werden.
Michi rief am Dienstag noch an, da er am Mittwoch eine Tour im Appenzellerland plante, aber da wollte ich meinen Plan nicht mehr umwerfen.

Nach einer kurzen Nacht bin ich dann um 5:30 zu Hause mit dem Auto los. Die A8 war leer und das Navi hat mich über Oberaudorf, Kössen, Saalfelden und Zell am See nach Bruck gelotst. Nach 90km Landstraße mit vielen LKWs, Ortsdurchfahrten und Radarfallen habe ich – etwas genervt – um 7:30 einen Parkplatz in Bruck gefunden.
Das Wetter war ein Traum und ich wollte von Bruck aus fahren, um den kompletten Anstieg bis zur Edelweißspitze fahren zu können. Die meisten Radler starten ja erst an der Mautstelle in Ferleiten, denn da gibt es einen großen Parkplatz und man spart sich 400 Hm Anfahrt. Der Nachteil ist aber auch, dass es nach der Mautstelle mit Steigungen deutlich über 10% gleich richtig zur Sache geht. Ich mag es lieber, wenn ich mich etwas warmfahren kann bevor es ernst wird. Das mit dem Warmfahren war leider nicht so der Fall, denn nach der klaren Nacht war es ziemlich kalt im schattigen Tal. Der Radcomputer viel bis unter 5°C und ich war mit Sturmgepäck und leicht bekleidet unterwegs.

Die paar Kilometer bis Fusch mit leichter Steigung waren schnell geschafft und dann wurde mir im ersten Steilstück bis kurz vor der Mautstelle auch endlich warm. Bis jetzt war fast kein Verkehr und nur wenige Radler waren unterwegs.
Nach der Mautstelle erreicht die Steigung schnell über 10% und da bleibt sie auch! Bis auf wenige flachere Serpentinenaußenseiten gibt es praktisch keine Verschnaufpause bis zur Edelweißspitze. Insgesamt sind das von Fusch ca. 1800Hm verteilt auf 20km. Also 9% Durchschnittssteigung! Ein ganz schöner Brocken, zumal mein „extremster“ Anstieg in diesem Jahr bisher der Kesselberg war. Das ist nicht so ganz vergleichbar.
Langsam finde ich meinen Tritt und gewinne rasch an Höhe und die Aussicht auf die grandiose Bergwelt wird immer beeindruckender und das motiviert zusätzlich. Leider wird auch der motorisierte Verkehr dichter und die Straße ist leider zu gut ausgebaut, dass hier ganz gerne viel zu schnell gefahren wird. Besonders unsere Freunde von der motorisieren Zweiradfraktion benehmen sich zum Teil wie auf einer abgesperrten Rennstrecke und geben richtig Gummi. Die breite und gut ausgebaute Straße reduziert auch optisch die Steilheit und man wundert sich, warum es so zäh geht, aber ein Blick auf den Radcomputer erklärt schnell, warum man sich plagt.
Was das Plagen angeht ist es schon erstaunlich wie viele Radler sich da hochquälen und mit was für Fahrzeugen: Man sieht praktisch alles! Logisch Rennräder und MTBs, dann natürlich mittlerweile alle möglichen E-Bikes wie e-MTBs, e-Trekking und normale Stadt e-Bikes. Aber auch vollgepackte Reiseradler (Respekt!), ein Trekking Tandem und ein Fatbike-MTB (ohne Hilfsmotor). Manche schieben oder fahren Schlangenlinien und brauchen die halbe Fahrspur. Manche überholen mich mit einem Tempo, dass ich mir denke ich sollte besser umdrehen, um sie dann ½ Stunde später wieder einzuholen, weil sie völlig blau sind und nichts mehr geht. Ein Pärchen mit zwei e-MTBs hat mich relativ flott schon weit unten überholt. Ich schätze mal das Gesamtgewicht der Beiden (Fahrer plus Räder) auf 250 bis 300kg. Kurz nach dem Oberen Nassfeld war bei seinem MTB der Akku leer und er hat geschoben. Das MTB seiner Frau hat noch etwas länger durchgehalten, aber kurz vorm Fuschertörl hat sie dann auch geschoben. Aber immer noch besser so als mit dem Auto hochfahren!

Wenn man mal seinen Rhythmus gefunden hat macht das Fahren Spaß, da es nicht zu warm war und nach einem kurzen Halt am Restaurant Fuschertörl geht es auf die letzte Etappe: Die Auffahrt zur Edelweißspitze. Ich hatte die Straße von meinem letzten Besuch vor über 30 Jahren nicht in so schlechter Erinnerung. Aber ich vermute, dass seit dieser Zeit das Kopfsteinpflaster auf diesen ca. 1,5km nicht wirklich renoviert wurde. Die kleinen Pflastersteine haben sich oft sägezahnartig verkanntet, deshalb rollt es praktisch nicht und bei bis zu 15% ist das ein Kampf. Paris-Roubaix auf 2500m über Meer! Jetzt ist mir auch klar, warum 90% der Radfahrer direkt zum Fuschertörl und nicht auf die Edelweißspitze fahren. Aber auch das hat ein Ende und nach insgesamt guten 2 ½ Stunden ab Bruck bin ich oben. Nicht schlecht für diese komische Saison!

Die 360°-Aussicht ist gigantisch und entschädigt vollkommen für die Anstrengung. Vor der Edelweißhütte gönne ich mir ein Weihenstephaner alkoholfreies Weißbier und einen Germknödel. Dabei komme ich mit zwei einheimischen Mountainbikern ins Gespräch und sie meinten, dass der Verkehr nur maximal 50% der normalen Menge sei! Mir hat das schon gereicht. Ohne Corona möchte ich da nicht mehr rauffahren. Zumal es ½ Stunde später beim Runterfahren von der Edelweißspitze die halbe Auffahrt rauf staut und die wenigen Radler die sich hochkämpfen auch noch laufend anhalten müssen. Gut, dass ich früher dran war. Das Runterfahren ist aber auch keine Freude wegen der schlechten Straße und dem starken Gegenverkehr. Meist fahre ich im Stehen und bin nur unwesentlich schneller als beim Hochfahren.
Zurück auf der Hauptstraße geht es einen kurzen Stich hoch zum Fuschertörl und da bin ich wohl mit kalten Beinen etwas zu kräftig reingestiegen und mein rechter Oberschenkel fängt zum Zwicken an. Ich konnte einen Krampf gerade noch verhindern, aber jetzt geht es eh erst mal 150Hm runter zur Fuscherlacke. Der Verkehr wird deutlich mehr und ein starker Südwind bläst mir auf den letzten Kilometern zum Hochtor ins Gesicht. Da sind noch einige steilere Stücke in einer beeindruckenden Hochgebirgslandschaft zu überwinden und nach dem Mittertörltunnel und dem Passieren des Scheiteltunnels am Hochtors bin ich oben und schaue nach Kärnten runter. Die Tunnel sind mittlerweile zwar schwach beleuchtet, aber ein Rücklicht schadet nicht.

Die Aussicht hat schon was! Nach ein paar Fotos stand eine Entscheidung an: Weiter zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe? Ich hatte das als mögliche Option geplant. Also zuerst runter, dann rauf bis oberhalb des Pasterzengletschers und dann das Ganze wieder zurück. Das wären nochmal mindestens 1200 steile Hm extra. Nachdem mittlerweile der Verkehr echt lästig wurde und mir das Gewürge bei den steilen Anstiegen irgendwie keinen Spaß mehr macht habe ich mich entschieden gleich zurück nach Bruck zu fahren. Für den zweiten Berg in diesem Jahr, immerhin bin ich dieses Jahr ja schon den imposanten Kesselberg ohne absteigen gefahren, reicht das auch!

Also runter zur Fuscherlacke und die letzten 150Hm wieder rauf zum Fuschertörl. Nachdem ich mich durch die Autos, Motorräder und Radfahrer geschlängelt habe geht es endlich in die wohlverdiente Abfahrt. Die Straße ist relative leer, da jetzt alle oben sind und der gute Belag lädt zu einer flotten Fahrweise ein. Da ich, bis auf einen kurzen Fotostop, bergwärts durchgefahren bin halte noch ein paar Mal zum Fotografieren an und um die Hände zu lockern, denn bremsen muss man bei dem Gefälle ganz ordentlich und auch die Felgen freuen sich über eine Abkühlung.
Eigentlich ist Bergfahren mit dem Rad reine Energieverschwendung: Rauf schwitzt man und man verwandelt ca. ¾ der eingesetzten Primärenergie (= Essen) in Abwärme und das restlich Viertel verwandelt man bei Runterbremsen in heiße Bremsen. Aber es macht trotzdem Spaß!
Nach insgesamt guten 5 Stunden bin ich wieder bei meinem Auto in Bruck. War eine tolle Tour und jetzt gondle ich gemütlich nach Hause und freue mich auf meinen „Russen“!

Schauen wir mal was 2020 noch für Überraschungen bereit hält!

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