Nach ca. 2500Hm und zwei schweren Pässen sollte es das Sahnehäubchen dieses Tourentags werden. Die “Lacets de Montvernier”. Über 18 schöne Serpentinen hinab ins Tal.
Doch jetzt steht hier dieses saudumme Schild. Kurz quer gelesen heisst das wohl das soviel wie “Straße wg. Bauarbeiten gesperrt – gilt auch für Radfahrer” (wie sich noch zeigen sollte, wäre eine genaue Übersetzung ganz hilfreich gewesen, oder etwa den Anwohner zu befragen, der mich interessiert dabei beobachtet, wie ich das Schild inspiziere). Ein Wegweiser “Lacets de Montvernier” wies außerdem, aus mir bis heute unverständlichen Gründen, auch in die entgegengesetzte Richtung.
Also folge ich, mit meinem Schicksal hadernd, der D77 hinaus Richtung Saint-Jean-de-Maurienne, wo ich nie hin wollte.
COL DE LA MADELEINE
Dabei hatte der Tag so gut begonnen. Seit mehr als einer Woche erstmals wolkenloser Himmel. Temperaturen um die 23°. Perfekt für die Befahrung des Col de la Madeleine, einem Klassiker bei der Tour de France.
Letztes Jahr wurde erstmals eine neue, schwerere Route zu diesem Pass gefahren. Genau diese Auffahrt über Montgellafrey wollte ich fahren. Mehr als 17km mit 8,4% Durchschnittssteigung. Nicht gerade ein Spaziergang.
Die Strecke führt auf der westlichen Talseite über das Örtchen Montgellafrey bis zu den Hotelanlagen bei Les Perelles, wo es auf die Hauptroute von La Champ trifft. Von dort sind es dann nur noch 4km bis zum Col de la Madeleine.
Ich war in Saint-Remy-de-Maurienne gestartet, und kurz vor La Champ auf die D76 nach Notre-Dame-du-Cruet einzubiegen.
Eine schmale, einsame, gleich zu Beginn kräftig steigende Straße, auf der mir bis Zusammenschluß bei Les Perelles bei meiner ca. 2 stündigen Auffahrt gerade mal 4 Autos entgegenkamen. Genau mein Ding.
Erstaunlicherweise war aber an diesem Tag auch auf der Hauptroute relativ wenig Verkehr unterwegs.
Nach ausgiebiger Pause am Col de la Madeleine ging’s nun in die Abfahrt Richtung La Champ.
Kurzer Stopp um die Cheminées des Fées zu bestaunen. Ein Naturwunder wie man es auch am Col d’Agnel oder in den Sarntalern finden kann.
COL DU CHAUSSY
Auf der weiteren Abfahrt, fast schon wieder in La Champ angekommen, hieß es nun aber den Abzweig zum Col du Chaussy nicht zu verpassen.
Das Gebiet um den Col du Chaussy ist im Winter vorallem bei Skilangläufern beliebt. Der Pass liegt auf 1533m, was bedeutete, dass mir nun weitere 700Hm Aufstieg bevorstanden. Die Straße ist in dieser Richtung ebenfalls kaum befahren.
Noch steil in den ersten Kehren bis Montaimont, hat man hinter Bonvillard nur noch eine schmale, relativ flache, asphaltierte Forststraße vor sich. Insgesamte eine ruhige, problemlose Auffahrt.
Am Col du Chaussy angekommen, machte ich mich sogleich an die Abfahrt nach Süden nach Montvernier. Von dieser Seite wird der Pass ganz fleißig von Radlern befahren. Das Restaurant am Col du Chaussy bietet schließlich auch ein willkommenes Ziel.
Die Straße führte nun teilweise wild an Felswänden entlang.
Montvernier rückte ins Blickfeld.
Dann kam der Abzweig nach Pontamafrey zu den Lacets de Montvernier – und das Baustellenschild.
LACETS DE MONTVERNIER
Die Lacets de Montvernier (fr. lacets: die Schnürsenkel) sind eine Serpentinenreihe von 18 Kehren auf nur 3km Länge, die sich wie ein Schuhbandl in einem Schuh von Pontamafrey nach Montvernier hinaufziehen. Auch die Tour de France hatte diesen Anstieg mit 8% Durchschnittssteigung schon 2mal gewählt . Spektakuläre Bilder aus der Hubschrauberkamera sind garantiert, wenn sich das Peloton auf schmalstem Sträßlein hinaufschlängelt.
Ich hatte mittlerweile La Tour-en-Maurienne passiert, den Tour du Châtel umrundet und war im Tal kurz vor Saint-Jean-de-Maurienne gelandet. Statt lockerer Abfahrt über die Lacets de Montvernier waren nun geschätzte 10km zusätzlich im Tal zu fahren. Kilometer für Kilometer kam ich dem Talort Pontamafrey näher. Man konnte das Schuhbandl schon gut erkennen. Und fuhr da nicht gerade ein Auto runter?
Schließlich erreichte ich den Ortseingang von Pontamafrey: Umleitung über Schotterweg wegen Asphaltierarbeiten im Ortskern.
Die Bauarbeiten betrafen nur den Ort, nicht die eigentlichen Lacets de Montvernier! Ich hätte runter fahren können.
Da ich jetzt aber schon mal da war, traf ich den Entschluss: “dann fahr jetzt die Dinger halt auch noch rauf”.
In angenehm gleichmäßiger Steigung schraubte ich mich Kehre um Kehre, immer schön mitzählend, nach oben. Nach Nummer 18 ein kleiner Felsdurchschlupf und ich stand auf den Wiesen unter Montvernier.
Nun die ersehnte Abfahrt. Juhuu!
Die restlichen Kilometer auf der Mauriennaise nach Saint-Remy-de-Maurienne vergingen wie im Flug.
Ich war glücklich :-))