„Radrace One Twenty“ – ich komme (vielleicht)
Alles begann im Jahr 2024, als ich gefragt wurde, ob ich nicht ein Radteam beim „Radrace One Twenty“ in Sonthofen verstärken wolle. 120 Kilometer, 2200 Höhenmeter, ordentlich Druck auf die Pedale – klingt erstmal sportlich, aber nicht machbar, dachte ich.
Dann sah ich die anderen Fahrer: meist halb so alt wie ich, doppelt so schnell und vermutlich mit Laktatwerten, von denen mein Körper nur nachts träumen kann. Ich habe das Ganze dann … sagen wir mal strategisch klug abgelehnt. Stattdessen schlug ich meinen Sohn vor – der glänzte auf ganzer Linie und ersetzte mich zu 120 Prozent.
So weit, so gut. Nur dachte sich mein Sohn zu meinem Geburtstag, er müsse mir eine ganz besondere Freude machen: einen Startplatz für das nächste „Radrace One Twenty“ 2025. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob das wirklich ein Geschenk oder eher eine elegante Maßnahme war, um den alten Herrn nochmal wettkampftauglich zu machen.
Naja, der Ehrgeiz war geweckt – und die Teilnahme besiegelt. 120 Kilometer, 2200 Höhenmeter, Zeitbegrenzung. Klingt nicht nach einem gemütlichen Sonntagsausflug, also musste Vorbereitung her. Das Rad war schon optimal beim Michi eingestellt.
Und bevor ich überhaupt mit dem Training anfing, kamen Freunde mit einem charmanten Ratschlag: „In deinem Alter … da solltest du vielleicht mal zum Kardiologen.“ Vielen Dank auch – aber gut, auch das habe ich erledigt.
Der Kardiologe wiederum war ziemlich begeistert von meinen Fitnesswerten (auch wenn er das Wort „jugendlich“ nicht verwendet hat) – was mich immerhin optimistisch in Richtung Mai/Juni blicken ließ.
Aber wo trainieren? Deutschland? Im März? Eher nicht. Also: Mallorca! Der Veranstalter des „Radrace One Twenty“ bietet dort zweiwöchige Trainingscamps an – klang gut, wurde für eine Woche gebucht. Ich dachte: Sonne, Rennrad, neue Leute, alkoholfreies Bier. Was ich auch bekam: Yoga, Regen – und am letzten Abend kein alkoholfreies Bier mehr. Aber dazu später mehr.
15. März – Ankunft in Alcúdia
Shuttle vom Flughafen, Fahrrad ausgeliehen – ein topmodernes Teil mit elektronischer Schaltung. Blöd nur, dass die Batterie leer war. Statt Hightech-Fahrspaß gab’s erstmal Rückfahrt ohne Gangwechsel. Immerhin: Das Rad war am nächsten Tag einsatzbereit – und ich hatte meine erste Lektion gelernt: Technik ist super, wenn sie funktioniert.
Dann das erste Briefing im Camp. Der Campleiter Rapha strahlte uns an: „Morgens Yoga, tagsüber Ausfahrten, abends Athletik. Wer will, kann auch alles machen.“ Ich wollte eigentlich nur Radfahren – und plötzlich stand ich auf einer Matte und machte den herabschauenden Hund.
Ich hatte noch nie Yoga gemacht – und war nach einer Woche begeisterter Anhänger. Sogar meine Frau freut sich: Jetzt gibt es Aussicht auf gemeinsame Yogastunden. (Was man nicht alles für die Ehe tut.)
Übrigens: keine Muskelkater, keine Zerrungen. Großartig.
16. März – Erste Ausfahrt
Geplant waren lockere 40 Kilometer – wurden am Ende 63, bei rund 400 Höhenmetern.
Am zweiten Tag standen 80 Kilometer mit 1200 Höhenmetern auf dem Plan – inklusive Sicherheitstraining für Gruppenausfahrten.
18. März – Cap Formentor
Einer aus unserem Team stand in Turnhose und Baselayer (zu Deutsch: Unterhose, ohne Polster) am Start. Auf meine Frage, ob er damit gut unterwegs sei, meinte er verwundert: „Ja, super – und die Beine bleiben schön warm.“ Nach 40 Kilometern musste er umdrehen. Aufgescheuert. Aber so schlimm war’s wohl nicht, denn zum Abendessen war er wieder bestens zu Fuß.
Mittwoch – entspannte Runde ins Café nach Port de Pollença.
20. März – Königsetappe: Sa Calobra
120 Kilometer, 2200 Höhenmeter. Das Wetter: traumhaft.
Offenbar hatte das ganze Hotel die gleiche Idee – um 7:30 Uhr hieß es Schlange stehen fürs Frühstück, in der Hoffnung, noch ein paar Eier, Pancakes und Kaffee zu erwischen. Kaffee? 30 Minuten Wartezeit, da zwei von vier Maschinen kaputt waren. Der Vorteil: weniger Pinkelpausen unterwegs.
21. März – letzter „richtiger“ Radtag für mich
Offiziell: Ruhetag. In der Realität: kurze Ausfahrt. Leider spielte das Wetter Mallorca-Bingo: Windböen mit bis zu 80 km/h, Regen von der Seite. Nach 30 Kilometern entschieden wir uns fürs Café. Als wir saßen, kam die Sonne raus – natürlich.
Abends dann die größte Enttäuschung der Woche: Mein geliebtes alkoholfreies Bier war aus. Die Reaktion des Kellners: Schulterzucken. Ich musste ein richtiges Bier trinken. So ein Pech …
Im Gepäck: Neue Bekanntschaften, ein voller Bauch, unzählige Eindrücke – aber kein Kilo mehr auf der Waage.
Und am Ende der Woche: ca. 450 Kilometer und 4000 Höhenmeter.
Jetzt bin ich zurück – und bereit.
Sonthofen, „Radrace One Twenty“ – ich komme.