Gut vorbereitet zu sein ist das A und O, wenn man große Touren fährt. Zur Vorbereitung gehören auch Kenntnisse über die Strecke, die Anstiege und den möglichen Straßensperren.
Dabei unterstützen moderne Radlcomputer, wie zum Beispiel ein Garmin Edge.
Strecke planen, auf den Garmin laden und sich dann bequem durch unbekanntes Terrain leiten lassen. Einfacher geht’s kaum.

Säntis im Vormittagsdunst

Andreas und Michi starten in Altstätten, bzw. 4 km vor Altstätten, denn hier ist die einzige kostenlose Parkmöglichkeit. Die Ausfahrt über vier Pässe dient zum einen als Höhenmeter-Trainingseinheit für größere Ziele, zum anderen, um unser jeweiliges Pässekonto zu vergrößern. Nach einigen Schleifen in Altstätten (Bitte wenden! Garmin wollte uns immer wieder zurückleiten) orientierten wir uns wie früher an den Ortswegweisern und starteten den Anstieg nach Appenzell. Mittlerweile war es 10:10 Uhr und schon ganz schön warm. Die gut ausgebaute, schattenlose Auffahrt bis Gais war die erste Herausforderung. Eigentlich sollte diese unsere Abfahrtsstrecke beim Rückweg sein, was mir der Garmin auch unmissverständlich mitteilte. Seis drum. In Appenzell – wir kennen den Ort jetzt ganz gut – das gleiche Schicksal. Hin und her und zurück, bis wir endlich einen Wegweiser nach Urnäsch entdeckten.
Andreas fügte sich seinem Schicksal und folgte mir bedingungslos. Immerhin hatte ich meinen Garmin – er nicht (dabei). Es lief ganz gut, auch wenn wir nicht im Zeitplan waren. Der mittlerweile dritte Anstieg startete an einem Schild „Gesperrt vom 28.6. 6:00 Uhr bis zum 30.6. 6:00 Uhr“. Heute ist der 29.6.!

Alte Passstraße Schwägalp Nordseite

Die alte Passstraße über die Schwägalp sollte ein besonderer Leckerbissen werden. Gesperrt für Autos, asphaltiert für Radler. Wieder sagte mein Garmin Bitte wenden!. Weiß der was? Nach 10 Minuten herrlicher Kurbelei im schattigen Wald, kamen uns zwei E-Biker entgegen. Sie stoppten und erzählten uns den Grund für die Straßensperre. Asphaltierungsarbeiten über 400m Länge, kein Durchkommen. Die Beiden ließ man dennoch passieren, zogen sich aber den Unmut des Straßenbau-Chefs zu. So schnell geben wir nicht auf! Immerhin haben wir heute noch ganz andere Herausforderungen zu meistern. Wir passierten zwei Absperrungen. Den Bautrupp in Sichtweite, ebenso die letzte Absperrung vor der Nase, bemerkte uns der Chef. Pfeifend und gestikulierend, gerade Würstel am Griff wendend, signalisierte er uns mehrfach und entschlossen, dass wir umkehren müssen. So eine Art Bitte wenden!. Wie gesagt, so leicht geben wir nicht auf. Ich stieg über die Absperrung er kam. Wir diskutierten. Er verstand mich, ich ihn kaum.
Nach guten fünf Minuten war die Entscheidung gefallen. Wir werden umkehren. Seine letzten Worte waren: „Soll ich euch helfen, die Rennräder über die Absperrung heben“ und so etwas, wie “latscht mir nicht auf den frischen Asphalt”. 400 m weiter säuberte ich meine Schuhabsätze vom Teer.
Die Planierraupe wurde angeschmissen, um (wahrscheinlich) unsere Fußabdrücke zu beseitigen. Wir hatten die nächste Herausforderung gemeistert. Alle, im weiteren Verlauf uns entgegenkommenden E-Biker, begegneten uns zweimal (aber die hatten ja E-Antrieb!).
Jetzt kamen wir ins Almgebiet des Säntis, der höchste Berg im Alpstein. Eine Herde weißer Ziegen lief auf uns zu. Wir freuten uns über die Begrüßung, verschärften jedoch dann unser Tempo, weil sie mit lautem Glöckchengeläut und als kompakte weiße Einheit die Verfolgung aufnahmen. Wir waren – trotz der zweistelligen Prozente – schneller.

Dampfwalze

Herausforderung Kühe

Alte Passstraße Schwägalp Südseite

Es gab noch weitere Hindernisse auf unsere Strecke. So passierten wir eine Kuhherde. Die machten keine Probleme, aber die Fliegen. Auch gab es unzählige Elektrozaunschranken. Lernen durch Erfahrung (Stromschlag) und durch Beobachtung (E-Biker), wissen wir jetzt, wie diese zu passieren sind. Einfach durchfahren!
Die Abfahrt auf der Südseite ist geprägt von Almen, Elektrozaunschranken und Weiderosten. Kein Abfahrgenuss wäre da nicht die schöne Landschaft.
Unten herrschten bereits 34°. Ein Gasthof musste her. Landgasthof Sonne, Haus der Freiheit stand handgeschrieben auf einen gelben Schild. Noch zwei Kilometer bergauf.

Wir erwirkten eine Rennradabstellsondergenehmigung. Der Wirt begrüßte und persönlich und erkundigte sich später auch nach unserem Wohlbefinden. Die Stunde Pause im Schatten mit einer Brettljause, unzähligen Apfelschorle, Limos und Fränklis war wichtig.
Die weitere Strecke über Hemberg, Bächli bis Urnäsch ist die schönste der ganzen Schweiz und für Münchner haben wir immer Zimmer frei, waren die Worte zum Abschied. So geht Wirt sein!

Pass Rigelschwendi

Zum Schönaupass

Tüfenberg

Die weitere Strecke über die Pässe Rigelschwendi, Schönaupass und Tüfenberg ist wirklich sehr lohnend, war aber auch brutal anstrengend. Mittlerweile hatten wir über 90km und über 2200 Höhenmeter in den Beinen und mein Garmin wollte uns immer noch zum Umkehren bewegen (oder zwingen!). Dafür war es jetzt mit der Hitze vorbei. 17 km flach bis Appenzell. In der Schweiz bedeuten 17 km flach 17 km mit 5 Anstiegen.

Marktplatz Appenzell

Immerhin konnten wir dem drohenden Regen enteilen. In Appenzell steuerten wir direkt auf ein Café am Marktplatz zu. Die letzte Stärkung mit Kuchen, Kaffee und Getränken und wieder vielen Fränklis, bevor es (nach noch einem Anstieg) bergab ins Rheintal zurück zum Auto ging.
Bitte wenden! stand auf dem Display nach 130 km und 2664 Höhenmetern.
Also alles, was recht ist!
P.S. Der Garmin hatte keine Schuld. Als ich letztes Jahr mir die Tour ausdachte, hatte ich die Richtung andersrum geplant. Meine Erkenntnis: Gut vorbreitet zu sein, ist das A und O jeder Rennradtour.

Teile diesen Beitrag

3 Anmerkungen zu “Bitte wenden

  1. Ich ließ ja nichts unversucht. Beim Gasthof Sonne hatte ich Internet (in der Schweiz schalte ich Daten-Roaming aus, da es bei O2 immense Kosten verursacht). Ich startete Garmin Connect, duplizierte die Strecke und drehte die Richtung um. Leider klappte die Übertragung auf den Garmin nicht (warum weiß ich nicht, auf der Heimfahrt war sie dann aber doch auf dem Edge 830).
    Das hätte aber auch nicht geholfen, denn die Tour was dermaßen anders zusammengebastelt, als wir sie gefahren sind und ich sie fahren wollte.
    Es gäbe zahlreiche Möglichkeiten, die 6 Streckenabschnitte zu kombinieren. Ein Fall für Stochastiker.

    Hier der Link zu der “optimalen” Strecke: Appenzell 4×4

  2. Herrlich! Ich habe beim Lesen gerade ein paarmal herzlich laut gelacht. Ein wunderbarer Bericht. Und Michi und Andreas ein Muster der Beharrlichkeit und Resilienz (des Wort muaß nei, derf neierdings in koa Artikel fehlen).

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.