Sommer 2021 in Bayern: Gefühlt viel zu nass und unbeständig! Die Planung längerer Touren mit ein paar Tagen Vorlauf funktioniert oft nicht, weil das Wetter sich permanent ändert. Ich habe mehrfach Pässetouren geplant: Wetterbericht gecheckt, Sonnentag gefunden, den Kalender von beruflichen Verpflichtungen befreit, Urlaub beantragt, um dann am Tag davor wieder alles absagen zu müssen, da der Wetterbericht mittlerweile Regen vorhersagt.
Doch es gibt eine Lösung: Süditalien im Herbst!
Wir fahren seit über 20 Jahren regelmäßig nach Apulien zum Radfahren. Auch fast 1000km südlich der Alpen gibt es viele Berge! Meist 3 Wochen im Mai als Saisonstart und Basis für eine gute Saison. Letztes und dieses Jahr war wegen Corona der Mai aber leider nicht möglich.
Diesmal sind wir Anfang September losgezogen. Von München bis Vieste sind es ca. 1150km und die sind dank 95% Autobahn in 11-13 Stunden relativ problemlos zu bewältigen. Das Auto war wie immer randvoll: 2 Rennräder und viel Gepäck. Hinterher sagen wir immer: Nächstes Mal nehmen wir weniger mit!
Radfahren in Apulien: Vieste ist der Hauptort des Gargano, das ist die Halbinsel die am italienischen Stiefel relativ weit unten in die Adria rein ragt. Ein idealer Standort zum Radfahren! Hier steigt unmittelbar an der Küste gleich das bewaldete Hinterland bis auf ca. 1100m Höhe an und es gibt im Umkreis von 60km nur 2 flache Straßen die aber auch nur 3km lang sind. Der Rest geht entweder bergauf oder bergab! Alpine Anstiege mit Kehren und mehr als 800Hm am Stück sind kein Problem. Keine Tour ohne viele Höhenmeter. Die Straßenqualität schwankt zwischen „black ice“ (da ist der Giro vor kurzem drübergefahren) und Stoßdämpfer Teststrecke. Bei den Abfahrten ist immer Vorsicht geboten, denn hinter jeder Kurve kann sich der Straßenzustand dramatisch verschlechtern. Dazu tragen auch Ziegen- und Schafherden bei, die jede Menge Dreck und Steine auf der Straße hinterlassen bzw. es sich gleich auf der Straße gemütlich machen. Oder es kommt eine Rotte freilaufender Hausschweine daher. Auf die Durchschnittsgeschwindigkeit sollte man hier besser nicht schauen. Ansonsten ein ideales Rennradrevier und außerhalb der Hochsaison im Juli/August nicht überlaufen. Allerdings ist man hier schon sehr weit im Süden und die Sonne brennt ganz schön runter. Aber besser als Regen und der ist in Vieste selten!
Dieses Jahr hatte es Anfang September 25 bis 30°C und das Meer hatte noch 26°C. Also die ideale Kombi von Radfahren am Morgen, Strand am Nachmittag und abends in eines der hervorragenden Restaurants zum Essen. Ein perfekter Radlurlaub!
Nach einer Woche Akklimatisation und mehreren mittellangen Touren (60-80 km. 800-1200Hm) mit meiner Frau habe ich meine Königsetappe auf dem Plan stehen: Monte Sant‘ Angelo mit knapp 120km und guten 2200Hm. Nachdem wir im Urlaub nicht aus dem Bett kommen starte ich erst um 10 Uhr, was keine gute Idee war, denn das Thermometer zeigt bereits 28°C. Zuerst geht es an der Küste entlang Richtung Süden in den nächsten Ort nach Mattinatta. Das sind ca. 50km Sägezahnprofil: 50Hm, 80Hm, 80Hm, 300Hm, 100Hm, 100Hm, 50Hm rauf und runter und alle Anstiege im Bereich von 10-14%. Da ist man um jede Abfahrt und jeden Schatten froh, aber die tolle Aussicht auf das Meer entlohnt für die Mühe.

Hinter Mattinatta beginnt der längste und schönste Anstieg der Tour: Ca. 800Hm am Stück, viele Kehren, tolle Aussicht auf den Golf von Manfredonia und moderate Steigung zwischen 6-8%. Leider windet sich die schöne Straße auf einem Süd-Ost Kamm nach oben und es gibt hier keinen Schatten und jetzt rächt sich mein verspäteter Aufbruch: Es ist brutal heiß, das Thermometer zeigt bis 35°C und die apulische Sonne brennt runter und erzeugt eine tolle Thermik am Hang, dass man glaubt da läuft ein Haartrockner auf höchster Stufe. Nach einem heißen Kampf erreiche ich Monte Sant’ Angelo, das oben auf einem Höhenrücken thront. Das ist ein Pilgerort mit einer imposanten Grotten-Gedenkstätte für den Erzengel Michael. Am höchsten Punkt in der Nähe des Castello gibt es eine nette Bar, so wie überall in Italien, und als ich 3 alkoholfreie Bier, 2 Liter Wasser, 1 Cappuccino und ein Panini bestelle fragt mich der Kellner mehrmals, ob ich wirklich 3 Bier will. Ja ich will, denn die ersten beiden verdampfen schon in der Speiseröhre.
Nach einer kurzen Rast geht es jetzt erstmal 400Hm bergab und auch noch auf einer guten Straße. Das sind 3 riesige Kehren mit praktische keinen Kurven dazwischen und ich kann es richtig laufen lassen und abkühlen. Doch der Spaß dauert nicht lange, schon geht es wieder 300Hm einsam bergauf und das bei wenig Schatten. Nach dem Anstieg geht es wellig Richtung Foresta Umbra. Das ist ein Nationalpark und der Rest des apulischen Urwaldes, der das ganze Land früher bedeckt hat. Im Foresta Umbra wachsen riesige Eichen und Buchen und es ist hier immer 10°C kühler als außerhalb des Waldes. Irgendwie warte ich immer, dass Robin Hood hinter einem Baum vorkommt, denn so stelle ich mir Nottingham Forrest vor. Der Wald ist so dicht, dass sich die Augen erst an das Dämmerlicht gewöhnen müssen. Der letzte längere Anstieg des Tages macht im Wald bei 22°C nochmal richtig Spaß. Oben geht es dann ca. 15km bergab, wobei die Straße mit Vorsicht zu genießen ist. Sie wurde teilweise neu asphaltiert, es sind aber auch noch Schlaglöcher vorhanden und beim dauernden Wechsel von Sonne und Schatten sieht man diese oft leider zu spät. Also lieber langsamer fahren.
Unten angekommen geht es noch 15km hügelig und heiß bis Vieste und dann ab ins Meer!
War eine Klasse Tour, aber sehr heiß! Ich habe auf der ganzen Tour ca. 6 Liter getrunken und musste keinen Baum gießen.
Man könnte diese Runde auch problemlos noch um 25 bzw. 50km und vielen Höhenmetern erweitern, aber nächstes Jahr kommen wir bestimmt wieder und man braucht ja Ziele.

PS: Die Bilder stammen teilweise nicht von diesem Jahr, da ich dieses Jahr etwas faul beim fotografieren war.

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